Jagdzeit für Zauberlehrlinge - ein Plädoyer für den gesunden Menschenverstand

System Management

Von Walter Braun

Ob Kommunen, Industrie oder Dienstleister, alle stehen vor einer Transformation ihrer viele Jahre tradierten Geschäftsmodelle. Die Dematerialisierung der Industrie, Ergebnis- und Innovationsdruck, gelegentliches Tricksen und veritables Täuschen und vieles mehr bauen bei diesem Aufbruch in eine neue Unternehmensära Abhängigkeiten und eine Komplexität auf, die kaum mehr zu beherrschen sind. Krisen sind dann oft die Folgen – selbst bei den DAX-Schwergewichten von Adidas bis VW.

Das genau ist die Zeit der Managementvampire, die mit revolutionären Effizienzversprechen und einer fein ziselierten Rhetorik Vorstände und Verantwortliche geradezu zwingen, sie zu buchen. Denn, wer kann seinen Shareholdern gegenüber auf solche Heilsversprechen und selbstorchestrierten Erfolgsgeschichten dieser Gurus verzichten, selbst wenn sie den Kunden langfristig bis aufs Blut aussaugen, weil sie rechtzeitig vom Hof zu jagen das Eingeständnis des eigenen Unvermögens und Verfehlens wäre.

Eigentlich sagt es einem schon der gesunde Menschenverstand, dass mit noch so revolutionär betitelten und mathematisch, computerisiert aufgeblasenen Methoden die Unwägbarkeiten einer Krise eher nicht in den Griff zu kriegen sind. Methoden können in komplexen Situationen allenfalls Hilfskrücken sein, um das Geschäftsmodell vom Kopf auf die Füße zu stellen, radikal neue Strukturen einzuführen und die kulturellen Anomalien einer Orginagrammideologie auszumerzen. Wer auch meint, mit intellektuell aufgepolsterten Methoden Komplexität zu beherrschen, hat das Wesen von Komplexität nicht erkannt. Diese lässt sich nicht beherrschen! Man kann sich aber auf sie einstellen und ihr mit radikalen Umbrüchen in der Struktur und Kultur gegebenenfalls begegnen. Schließlich ist aus der Hybris der Handelnden und deren narzisstischen Persönlichkeitsstrukturen gerade erst die Überforderung im Umgang mit der sogenannten VUCA-Welt und damit oft die Krise erst entstanden.

Wenn die Zahlen nicht mehr stimmen, Auftragsbücher leer zu werden drohen, Kunden abspringen und Produkte einfach nicht mehr notwendig sind, weil Apps ihre Funktion übernehmen, rufen Vorstände Extrameilen aus, zum Rapport, zum Ärmelhochkrempeln und zu ähnlichen Hau-Ruck-Aktionen. Begleitet und abgesichert werden diese durch eloquente Berater, die mit ihrem Vasallentross die Unternehmen infiltrieren. Nur: Die entdecken auch keine anderen Lösungsansätze für die Krise als die Betroffen vor Ort selbst. Wie auch, sie drehen Bekanntes durch den Fleischwolf neuer Verfahrensweisen. Ob Syntegration, Scrum oder Holagracy oder wie die Rezepte auch immer heißen mögen, sie sind dann das Feigenblatt für das Versagen der Vorstandsnieten und lautes Aufbruchssignal in eine sonnige Zukunft.

Geradezu prädestiniert, die Rolle des Heilsbringers zu übernehmen, ist der sogenannte und in Selbstgefälligkeit und Geldgier ergraute „Managementpapst“ irgendeiner Eliteschmiede – bevorzugt schweizer oder amerikanischer Provenienz. Mit großer Eloquenz, einer ungeheuren Fülle an Methoden und blendender Intellektualität schafft er es, einerseits über die Command- und Control-Manager herzuziehen und andererseits mit verheißungsvollen Methoden der Kybernetik nicht zu verhindernde Erfolge zu versprechen. Mit Lässigkeit und intellektueller Brillanz inszeniert er sich als Innovator. Kaum einer merkt, dass seine Ansätze und Methoden von anderen abgekupfert, marketingtechnisch bestens aufpoliert und mit beeindruckenden Erfolgen etikettiert klangvolle Orchestrierungen eines Zauberlehrlings sind. Einmal gerufen, bekommt man ihn nicht wieder los. Er treibt mit sarkastischer Zustandsbeschreibung die hilfesuchende Versagerelite in immer größere Abhängigkeit von ihm, indem er aus der vernichtenden Analyse mit Copperfieldscher Raffinesse seiner besten Tage die wundersame Revitalisierung gleichsam aus dem Nichts zaubert. Wer könnte wiederstehen!? Biedermänner sicher nicht.

Wie jagt man aber die Zauberlehrlinge wieder vom Hof? Aufsichtsräte, Vorstände und Shareholder müssen wieder stärker auf Eigenverantwortung der Fach- und Führungskräfte setzen, den Stecker der Gehorsamskultur ziehen, die Unantastbarkeit von Vorstandswahrheiten aufheben und anlassbezogen sich selbst organisierende Gruppen ermöglichen. Das wären echte Aufbruchsignale. Zauberkünstler gehören auf die Bühne, nicht in die Betriebe!

Kommentare

Die Erwartungen an die Beraterkoryphäen sind entsprechend hoch und werden von den Befürwortern noch weiter angeheizt. Da außerdem auch immer eine Intervention zu einem Ergebnis führt, wird dieses dann wortreich als erwünschter Erfolg hervorgehoben - unabhängig von seiner tatsächlichen Qualität. Da auch bekannte Berater eine Strahlkraft haben und ja nicht nur wegen ihrer Rhetorik Erfolge nachweisen können, reduziert sich das Risiko und legitimiert das Invest. Dass die Lösung der Krise auch intern vorangetrieben werden kann, schließt sich dabei nicht aus.

Es ist kaum zu erwarten, dass diejenigen, die in einer Krise stecken, ohne fremde Hilfe aus ihr herausfinden. Das einzige Kriterium: Die Hilfe muss professionell sein. Auch neue Methoden sind evident, denn über den Methodenweg lassen sich die Einsicht zum Umdenken und die Bereitschaft zum radikalen Umbruch leichter erzielen als über Strategiegerede. Wenn das dann von einer bekannten Koryphäe verantwortet wird, reduziert das die Unsicherheit und den Rechtfertigungsdruck des Auftraggebers. Und das hat wie alles seinen Preis.

In der kindlichen Hoffnung, dass der Glanz der Berühmtheit auch auf sie zurückfällt, kaufen Subalterne die Berühmtheiten des Consultingrummels ein. Den Vorständen ist's recht, denn sie haben in jedem Fall den Schuldigen: Einkäufer oder Blender.

Wenn es nicht zu teuer wäre, könnte man schmunzelnd es als selbstverliebte Marotte von selbsternannten Topberatern abtun. Oftmals ist es nur heiß abgelassene Luft, ohne Substanz. Das gilt für alle Sprücheklopfer - ob berühmt oder nicht. Die weniger berühmten sind billiger und leicht vom Hof zu jagen. Die berühmten oft aber deswegen berühmt, weil sie eben auch etwas können. Genaues Briefen und Prüfen, helfen, Fehlgriffe zu vermeiden.

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