Von Walter Braun
Was soll ich noch alles tun“ so ein Marketingleiter in der Pause eines Führungsseminars. „Montags bekomme ich die Ohren beschallt mit Work Life Balance Empfehlungen, dienstags höre ich, wie ich mich selbst optimieren kann, mittwochs findet eine Abteilungssession zur effizienten Outlook-Nutzung statt, donnerstags wird mir empfohlen, meine Projektarbeit mit einer Balanced-Score-Card zu verbessern. Und wissen Sie, was mir ein Freund am Freitagvormittag riet? „Mach einfach Feierabend, schmeiß dein Handy in die Ecke und genieß mit deiner Frau und den Kindern einen Spaziergang über die Wiesen hinter deinem Haus“. Und genau das sollte der von allen Seiten Bedrängte einfach mal tun.
Gestresste und verunsicherte Menschen begegnen uns oft. Und gerade dann oft, wenn das Thema wieder in aller Munde und Zeitungen breitgetreten wird. Wir sollten es auch nicht bagatellisieren oder gar ignorieren. Dazu ist es zu real und zu ernst.
Besonders gefährdet sind Freiberufler, Unternehmer und Führungskräfte, die für ihren Betrieb alles geben. Zu dem Ehrgeiz gesellen sich dann entsprechende Angebote von Wohlfühlcoaches, Menschenverstehern und Burnout-Verhinderern. In diesem Tohuwabohu von echten Belastungen und schillernden Hilfsangeboten blickt keiner mehr durch und ist weit weg vom Praktizieren des gesunden Menschenverstandes.
Nämlich Stress erkennen, benennen, ins Verhältnis zum tatsächlichen Empfinden stellen und gegebenenfalls korrigieren. Führt der Termindruck tatsächlich zu Angst oder nicht doch nur zu einer Verstimmung, weil ich mich möglicherweise rechtfertigen müsste? Erzeugt die liegengebliebene Arbeit Versagensgefühle oder doch nur leichten Ärger, weil es mir nicht in den Kram passt eine Stunde länger zu arbeiten?
Könnte ich nicht mal ohne Gesichtsverlust alle Fünfe gerade sein lassen? Oder könnte ich mich nicht sogar außerordentlich wohl fühlen, wenn ich nicht auf jeden Zug aufspringen würde? Und könnte ich mich nicht mit einem persönlichen Gewinn an Selbstbestimmung freimachen vom Optimierungsdruck der Leistungsjunkies und einfach öfter mal „Nein“ sagen?
Ich meine, wir alle könnten es! Wir könnten es wenigstens versuchen. Wenn es beim Versuch bleibt, können wir immer noch nach seriöser Hilfe greifen.
Kommentare
Anna Hösl
31. März 2014 - 10:41
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Menschenverstand
...der kommt oft zu kurz. Gut, dass das so deutlich wird.
Harald Müller
1. April 2014 - 13:03
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Gesunder Menschenverstand
Der gesuncde Menschenverstand ist aber immer nur so gut, wie der Mensch "gesund" ist. Oft wird er leider von Selbstüberschätzung und Wunschdenken beglückt.
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