Chef mit Ecken und Kanten

System Management

Von Walter Braun

Ein Trainee im zweiten Schnupperjahr adressierte gelassen das große Wort „authentisch“ an seinen direkten Chef und meinte, dieser habe zwar Ecken und Kanten, ist aber mitreißend und gerecht.

In dem Erlebnis des jungen Mannes wird etwas sichtbar, was in Zeiten schneller Karrieren und atemraubendem Aktionismus kaum mehr anzutreffen ist: Chefs mit Profil und Herzensbildung.

Voll sind die Riegen der Vorgesetzten mit selbstverliebten, statusfixierten, krokolederschuhtragenden Egomanen, die zwar auch Ecken und Kanten haben, aber nur zur Kultivierung ihrer Profilneurosen. Sie eint alle eine Fähigkeit, die in den Shareholder fixierten Kulturen der Nachweis für Führungsfähigkeit ist: beinhartes Durchsetzen von Zielen.

Zwar exzellent in Methoden des sogenannten erfolgreichen Führens geschult, aber offenbar weit weg vom Verständnis für den anderen. Hier läuft etwas falsch! Nicht nur in der Werteentwicklung von Unternehmen, sondern auch in der Führungskräfteentwicklung. Solange der Nachwuchs auf Ziele, Funktionieren, Methoden und Effektivität getrimmt wird, dürfen wir uns über rundgelutschte Führungskräfte nicht wundern.

So werden Generationen von Führungskräften durch Schulungsprogramme gejagt, an deren Ende bestpräparierte „Businesskasper“ ihren Spaß an der Manipulation anderer und an ihrer Wichtigkeit auskosten. Sie erzeugen weder eine akzeptierte Leistungskultur noch ein Verantwortungsbewusstsein für ihr destruktives Wirken. Aber Respekt ist ihnen sicher – jedoch nicht anerkennender, sondern angstbesetzter.

Die Hinführung von Führungsnovizen wie auch Führungsprofis zur Verantwortung für Menschen erfolgt eher weniger in zwei- oder dreitägigen Managementseminaren, sondern mehr in der Reflexion der eigenen Werte, der Vorstellung über Wünsche und persönliche Grenzen, der Demut und Akzeptanz vor der Individualität des anderen sowie in einer liebevoll beharrlichen „Eigensinnigkeit“. Ecken und Kanten werden so sichtbar und zum Leuchtfeuer der Persönlichkeit. Im Prinzip sollte jeder Chef wahrhaftige Antworten auf die selbstgestellte Frage „Warum will ich wie Menschen führen?“ finden und seinem Führungsverhalten zugrunde legen.

Ich bin sicher, dass jeder seine Ecken und Kanten entwickeln kann, wenn er es kulturell darf, die Chancen zur Entwicklung seiner Persönlichkeit erhält und von Menschenliebe geprägt ist.

„Lasst uns endlich Führungstrainings an der Individualität ausrichten und nicht an der Normierung von Führung“, forderte der junge Mensch auf seiner Traineetour. Recht hat er!

Kommentare

Das Problem fängt schon in der Schule an. Wenn nämlich der "Lauteste" gefälliges Gehör bei Lehrern und Schülern findet und die Lehrpläne immer dichter und die Schuljahre weniger werden, lernen die jungen Menschen, mit egoistischen Strategien besser weiter zu kommen als mit moralisch- und wertegeprägten. Wie sollen da Persönlichketen entstehen?

Unser großer Vorstand hat binnen eines Jahres den Turnaround geschafft: IT ausgelagert, Abteilungen verschlankt, 20% des Personals rausgeschmissen, Prozesse auf Effizienz getrimmt, einen beträchtlichen Teil der Belegschaft in die innere Emigration gejagt , eine Kultur von angstgetriebenen Ja-Sagern erzeugt. Die Shareholder habens ihm mit großzügigen Bonizahlungen gedankt. Die Mitarbeiter mit gebrochenen Seelen und Wut. Die Leistunsträger mit Abwanderung. Lieferanten mit zurückgehaltenen Lieferungen, die Unternemensgeschichte mit Zerschlagung. Die traurige Wahrheit, wenn Psychopathen und Egomanen regieren. Es wird Zeit für eine verantwortungsethische "Managerausbildung" und Führunskräfteentwicklung.

Der Trainee bringt es auf die Kernaussage: Nur wer aus einer starken und überzeugten Meinung sein Urteil findet, wird andere mitnehmen können. Leider haben wir in Unternehmen und Gesellschaft zu viele angepasste Emporkömmlinge, deren Herzensbildung wohl schon während der Geburt einen Infarkt erlitten haben. In einer Ihrer Artikel in den Rasche Nachrichten las ich mal den Hinweis, dass nur der andere Menschen führen kann, der sich selbst "führen" kann. Wohl wahr!
Ich musste mich selbst korrigieren, als ich merkte, dass ich nur noch meiner Karriere wegen Entscheidungen traf. In einem persönlichen Gespräch mit meinem Chef wurde mir das allerdings erst bewusst. Seine Nachsicht und Weitsicht ließen mich erst inne halten und mich entdecken. Solche Chefs braucht es und nicht kennzahlenfixierte Autisten!

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