Wie Complianceregeln zum Potemkinschen Dorf verkommen

System Management

Von Walter Braun

Was nutzen klare Strukturen und festgelegte Regeln, wenn die Menschen sie nicht ernst nehmen und sie allenfalls als öffentliches Schutzschild nutzen, hinter dem sie ihre Verantwortung verstecken. So oder ähnlich kann man den Eindruck haben, wenn man die Skandale des Betrugs, der Bestechung oder Bereicherung in der Wirtschaftswelt betrachtet.

Volkswagen, Siemens, ADAC haben alle, sogar zum Teil vorbildliche, Complianceregeln. Auch die katholische Kirche hat sie. Sogar die EU schreckt nicht zurück und spricht von gemeinsamen Werten. Nichts als Papier und öffentliche Beruhigungspillen!

Verpflichtungen auf ehrbares Verhalten nutzen nichts, da der Mensch nicht immer altruistisch, sondern eher egoistisch handelt. Auch Unternehmen verpflichten sich mehr den Profit- und Maximierungsideologien als integren und transparenten Geschäftsmodellen. „Geschäft machen“, steht auf der Agenda. Umsatz korrumpiert Moral. Diese genetische Struktur von Unternehmen lässt es daher zu bzw. unterstützt es indirekt, dass Kritiküben verpönt, Querdenken tabu und Missstände verschweigen erwünscht sind.

Führung versagt total. Sie mutiert zum Potemkinschen Dorf, das mit modern klingenden Leadershipprogrammen glänzt, im Grunde aber ein korrupter Haufen von Ja-Sagern und Duckmäusern ist. Wer ausbricht, wird bestraft. Wer es dennoch weiter versucht, entfernt. Am Ende sind die Reihen fest geschlossen und Ja-Sagen der informelle „Code of Ethics“. Nicht anecken, um die nächste Stufe der Verantwortungsübernahme nicht zu gefährden, ist das implizite Bekenntnis und Angst dessen Nährboden.

Wer den Teufelskreis der inzestuösen Entwicklung von Duckmäusern und Angepassten unterbrechen will, muss dreierlei tun:

  • Radikales Vorbild für Transparenz sein,
  • Kultur eines offen-kritischen Umgangs ermöglichen,
  • konsequente Kontrolle von außen zulassen.

Fach- und Führungskräfte lernen auf dem Weg zur Spitze zwar eine Menge raffinierter Kommunikations-, Entscheidungs- und Führungstechniken, aber wenig, was moralisch vertretbares Handeln bedeutet. Zu aufgeblasenen Corporate Universities verkommene Weiterbildungsabteilungen schöpfen ihr Selbstverständnis aus möglichst vielen und von Vielen gebuchten Seminartiteln. Und die Unternehmensleitung ist stolz auf ihr wieder größer gewordenes Invest in Mitarbeiter. Potemkin ist überall, Moral nirgendwo.

Compliance förderlicher wären arbeitsimmanente Ansätze, die den psychologischen Druck von Mitarbeitern nehmen, wenn sie auf Missstände aufmerksam werden. Dazu gehören Ermutigung zur Kritik, Belohnung bzw. Verstärkung für Hinweise auf Missstände und konsequentes Ahnden von Fehlverhalten ungeachtet der hierarchischen Verankerung der Person.

Regeln dafür sind notwendige, aber bei weitem nicht hinreichende Bedingungen. Hinreichend wird es erst, wenn die Machtpromotoren diese deutlich vorleben und ein Frühwarnsystem – durchaus auch zum Schutz der Mitarbeiter anonym – direkt zu externen/internen Kontrollinstanzen geschaltet wird. Die Leistungs- und Führungskultur müssen sich von der Profit- zur Transparenzmaximierung wandeln. Etwa dadurch, dass es zur Pflicht gehört, über Verletzungen von Compliance-Regeln zu berichten gegebenenfalls auch anonym. Das spart Kosten wie man aktuell sieht und bringt Wettbewerbsstärke!

Kommentare

Dem Artikel ist umfänglich zuzustimmen. Ich frage mich auch, wieso kleine Betriebe kein Getöse um die sogenannte Governance machen. Doch wohl deswegen, weil jeder dort Verantwortung für alles trägt und als Mensch erkennbar ist. Kleine Betriebe wissen auch, dass sie ehrlich sein müssen, wenn sie bei ihren Kunden ankommen wollen. Das diszipliniert im Denken und noch mehr im Handeln. VW und Konsorten ersticken an ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht und Arroganz. "Geschäft machen" steht über allem. Die Anonymität beschleunigt die Neigung zum Betrug und zur organisierten Verantwortungslosigkeit wie es in der WiWo zu lesen war.

Der "Code of ethic" dient doch nur der Beruhigung der Öffentlichkeit und dem Hinweis in Kongressreden. Raffgier und Macht sind die Motive der Selbsternannten Eliten. Sie kommen aus ähnlichen Sozialisationen und meistens ohne Korrektiv im sozialen.Umfeld. Diese Eliten, die Macht über Menschen ausüben, wachsen im Dünkel Ihresgleichen auf. Der SUV für die Geliebte, die Ferienvilla an der Côte d'Azur und der Privatjet im Hangar zählen. Nicht Anstand und Moral. Meinen CEO haben sie vor Kurzem weggesperrt - Einsicht in seine Verfehlungen: Fehlanzeige

Sehe ich auch so. Wichtiger als der Versuch alles fix zu regeln ist das richtige mind set, also die richtige Einstellung und die läßt sich nicht per Befehl festschreiben. Sorgt man dafür, dass die Mitarbeiter die Einstellung in einem kleinen Unternehmen teilen, hat man schon halb "gewonnen"....und gerade in kleinen und mittleren Unternehmen hat man nicht die Zeit jeden immer und überall zu kontrollieren. Wenn da alle in die richtige Richtung arbeiten, festigt das den USP der Firma und das wird von den Kunden honoriert, gerade in Zeiten wie diesen....

Provokant aber auf den Punkt gebracht. Die "aufgeblasenen Abteilungen" tragen deswegen nichts zur Verbesserung bei, weil sie Kultur und Struktur nicht infrage stellen. Was wir brauchen, sind Menschen mit Rückgrat, die andere einfach ernstnehmen.

Je mehr die da oben meinen, die besseren Experten zu sein, umso mehr tragen sie durch ihr autoritäres Gehabe zum Duckmäusertum bei. Wenn dann noch Gröhßenwahn, Image und politischer Nepotismus dazukommen, nimmt das Unheil seinen Lauf. Hörte ich nicht mal von Ihnen das Nestroyzitat "Der Mensch an sich ist guat, nur d'Leit san a Gsindel"? Wenn Angst regiert, werden wir alle über kurz oder lang zum "Gsindel".

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