Zeitmanagement, Irrtum der Gutgläubigen

System Management

Von Walter Braun

Ein wirkungsvoller Umgang mit der meist knapp zur Verfügung stehenden Zeit ist eine immerwährende Herausforderung, die im Prinzip bedeutet, sich mit sich selbst auseinander zu setzen.

Zwar fallen ungebremst Bücherberge von Ratgeberliteratur und wohlklingende Gurutipps a la „Wenn du es eilig hast, gehe langsam!“ über uns herein. Obwohl ihre Botschaften doch so nachvollziehbar und einfach sind, bewirken sie aber offenbar wenig bis gar nichts. Im Gegenteil: Stress, Burnout, psychogene Befindlichkeitsstörungen und Erkrankungen oder auch schlichtweg Scheitern im Job nehmen beständig zu.

Das Problem aller Managementideologien, insbesondere die des Zeitmanagements, liegt darin, mit Orientierungshilfen, Ratschlägen und Machbarkeitsfantasien lediglich die Verhaltensebene zu favorisieren. Das Einmaleins des Zeitmanagements oder andere Verkürzungen implizieren Vereinfachungen. „Man muss schließlich nur langsam gehen, wenn man es eilig hat“, Aufgabenprioritäten in leistungsstarke Zeiten setzen, den Tag in alternierende Blöcke von konzentriertem Arbeiten und Erholen einteilen, A- von B-Wichtigkeiten unterscheiden, Ziele festlegen und dann flutscht’s nur so. Naja! Siehe oben: Selig, wer daran glaubt!

Seit langem kennt man die psychologischen Bedingungen von Verhalten. Es resultiert aus Einstellungen, impliziten Motiven, starken intuitiven Kräften und inneren meist unbewussten Vorstellungen über Sinn und Zweck der jeweiligen Verhaltensabsichten.

Wer sich auf den Weg machen will, mit Gewohnheiten zu brechen, abends zufrieden auf den Tag zurückzublicken, das Hamsterrad des Funktionierens zu verlassen etc. sollte daher weniger auf das Was seiner Vornahmen achten, sondern ausloten, was denn die inneren Ursachen des Nicht-Nein-Sagens, des Funktionierenwollens oder des chaotischen Arbeitsstils sein könnten.

Vielleicht könnten dann Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung sichtbar werden. Strategien zur Verhaltensänderung auf der Basis von persönlichen Werten und Motiven könnten daraus abgeleitet eine nachhaltige Realisierung der Absichten ermöglichen.

Implizite Motive, Einstellungen und innere Bilder lassen sich sicherlich nicht im Schnellbleichverfahren klären. Ihnen auf die Spur zu kommen, ist aber kein Hexenwerk. Es setzt Offenheit und Neugierde voraus und die Bereitschaft zur inneren Reflexion. Hier kann sicherlich auch ein Coach helfen. Der Reflexionshelfer sollte jedoch die Besonderheiten der Menschwerdung und deren Limitierungen kennen. Dazu muss er nicht unbedingt einer meist selbst ernannten Guruklasse angehören. Er sollte aber fundiert helfen können,

—   innere Transparenz über Stärken, Schwächen und Reserven herzustellen,

—   affektiv, kognitiv und verhaltensbezogen angelegte Strategien der individuellen Veränderung zu entwickeln,

—   individuelle Notfallpläne für den Umgang mit Widerständen zu erstellen und

—   den inneren Schweinehund als Teil der Persönlichkeit zu schätzen, aber auch zu beeinflussen lernen.

Aus Gutgläubigen werden Erkennende. Aus Zeitmanagement wird Selbstführung.

Kommentare

Wir Sind doch alle auf möglichst einfache Lösungen aus. Warum sollte man also nicht begierig die einfachen Wahrheiten der Besserwisser aufnehmen. Leider vergessen wir dabei, dass wir uns anstrengen müssen, um tatsächlich Veränderungen herbeizuführen. Alles abgesichert, für jede Frage einen, der Antworten gibt, Ziele, die uns die Richtung vorgeben und individueller Egoismus, der uns ganz beruhigt einen zwei Tonnen SUV über die Straßen heizen läßt, zeigt uns doch die gutgläubige Verführbarkeit. Also, ganz ruhig, Herr Braun, es ist wohl im Sinne unseres Schöpfers, dass wir meinen, alles oder vieles lässt sich managen. Denn er ist wohl der Schutzpatron der Psychotherapeuten. Die haben ja offenbar z. Zt. viel zu tun.

Wohl wahr, lieber Herr Zurheiden, "einfach" geht immer. Aber so ganz dem Schöpfer sollten wir es aber auch nicht überlassen und hin und wieder versuchen, Einfluss zu nehmen. Schon allein der erlebten Hilflosigkeit wegen. Freue mich auf unseren nächsten Treff.

Ihr

Walter Braun

Ich finde es gut, dass wir auf ziemlich viel Struktur und ein unterstützendes Umfeld bauen können. Das ersetzt aber nicht das eigene Nachdenken. Dies wiederum ist eine Frage des Bewusstseins und weniger Gott geschuldet. Gelegentlich verhelfen ja auch von außen kommende Impulse zum selbstkritischen Überprüfen seiner Routinen.

JV

Zeit ist eine abstrakte Größe, wenn es um ihren Gebrauch geht. Mal ermüdend, mal rasant wahrgenommen und je nach der zu verrichtenden Tätigkeit lustvoll oder ätzend erlebt. Eine derart subjektive Größe managen zu wollen, kann nur Technokraten und Zahlenclowns einfallen. Das Wesen der Zeit wird über die individuelle Sicht charakterisiert und lässt sich nur darüber verstehen. Gutgläubig sollte m.M. ausgetauscht werden mit irrgläubig.

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