Der Mensch bleibt das Maß - auch in der neuen Businesswelt

System Management

Von Walter Braun

Veränderungen sind nicht nur eine Frage der Technik und Digitalisierung, sondern auch eine des Denkstils und der Arbeitskultur. „Unternehmen sehen sich zwar digitalen Veränderungen gegenüber, aber keinen gravierenden menschlichen– und das ist eine veritable Fehleinschätzung“. Mit dieser provozierenden, weil außerhalb des Mainstreams populärer Businesshypes liegenden These, rüttelte jüngst ein Verbandsvertreter von Familienunternehmen an der Behäbigkeit und Ignoranz mancher Unternehmer, die eher Anhänger von „Weiter so“ sind als von Vernetzung und Disruption.

Nie zuvor prasseln so viele Umwälzungen auf die Betriebe ein wie im letzten Drittel dieses Jahrzehnts. Der technologische Fortschritt nimmt exponentiell zu: 3D-Druck ist fast schon von gestern. Virtuelle Datenbrillen erzeugen Echtzeitwahrnehmungen. Robotik revolutioniert die menschenfreie Produktion und Dienstleistung – letzteres sieht man im rasanten Rationalisieren bislang personengebundener Beratungen bei Post, Banken und Sparkassen. IT Services in der Cloud kannibalisieren Software auf den stationären Rechnern. Logistik wird gemeistert von Algorithmen. Dematerialisierung deren Folge in der industriellen Güterfertigung – wenn Apps Schließfunktionen übernehmen, brauchen wir keine Schlüssel mehr. Alles hängt mit allem zusammen und geht unaufhaltsam mal etwas schneller, mal etwas langsamer seinen Weg. Der katastrophale Denkfehler liegt darin, diese Ereignisse in der Regel in ihren kleinen ankündigenden Schritten zu ignorieren und wenn überhaupt, isoliert zu sehen.

Sächliche Welt und virtuelle Welt verbinden sich rasant zur einer Realität und verändern menschliches Denken und betriebliche Strukturen. Autos, Zimmer und Menschen werden digital auf Plattformen geteilt, Waren per Drohne geliefert und Urlaub in VR-Brille erlebt.

Die Verschmelzung, noch in den 2010er Jahren kaum spürbar, nahm seither exponentionell Fahrt auf und ist heute 2016 real. Das Erkennen von Frühindikatoren für Trends und Entwicklungen und daraus abgeleitete Businessszenarien sind die Benchmarks für die Zukunftsfähigkeit der Betriebe und ihrer Manager. Von dieser Verantwortung entlastet sie kein Gadget. Trends interpretieren, Menschen für Veränderungen sensibilisieren, mutig neue Wege gehen zu können, sind zutiefst menschliche Fähigkeiten.

Spätestens jetzt sollten sich Verantwortliche fragen:

  1. Wie weit sind wir in unserem Business davon betroffen?
  2. Wie gut sind wir in unserer Kultur, Struktur und mit unseren Menschen darauf vorbereitet?

Die Sensibilisierung auf diese aktuellen Herausforderungen kann mit der sozialen Konditionalisierung von Ereignissen erfolgen:

  • Wenn Marktdruck und –veränderung dazu zwingen, etwa Entwicklung, Vertrieb und Produktion zu vernetzten, braucht’s kulturellen Gleichlauf, weil Differenzen in Vorgehensweisen und Ansichten die Abteilungszusammenarbeit erschweren.
  • Wenn die Dynamik der Veränderung und die Wahrscheinlichkeiten von schwer vorhersehbaren Nebenwirkungen zunehmen, braucht es Menschen, die verantwortlich handeln wollen und mit Unsicherheit klarkommen können.
  • Wenn alternative Geschäftsmodelle tradierte Geschäftsfelder bedrohen oder gar ersetzen, braucht es einen achtsamen Umgang mit vermeintlich unbedeutenden Frühwarnhinweisen – Transportgewerbe, Banken und Autobauer leiden zum Teil heute noch an Tiefschlafsymptomen.
  • Wenn Organigrammdenken rasche Anpassung der Strukturen sabotieren, braucht es Disruption im Sicherheitsstreben und Zuständigkeitsbeharren, insbesondere in den Top-Ebenen der Managerfestungen.

 

Welche Bedingungen auch für welchen Betrieb besonders sichtbar und relevant sein mögen, sie werden zum Verhängnis, wenn sie nicht vorbehaltlos geprüft und mit mutigen Szenarien beantwortet werden. Unternehmen, die dafür ein Gespür und eine psychologische Bereitschaft haben, ihre Fach- und Führungskräfte behutsam für alternative Strukturen zu sensibilisieren, werden gute Chancen für ihre Zukunft haben. Unternehmen, die alles weitestgehend beim Alten belassen, sich an Budget und Zuständigkeiten festhalten und ihre Personalentwicklung mit Old-School-Themen der Führung und Kommunikation verballhornen, verschlafen hier möglicherweise ihre Zukunft.

Für die neue Businesswelt besonders geeignet, sind Menschen, die für ihre eigene Entwicklung die Regie übernehmen, ihre Stärken und Reserven gezielt nutzen und die fähig sind, mit Unbestimmtheit, Dynamik und Volatilität umzugehen. Alles Dinge, die nicht vom Himmel fallen, aber bis zu einem gewissen Grad entwickelbar sind. Es braucht nur etwas Mut zum Querdenken, Bereitschaft zum Scheitern und Wille, mit der Vergangenheit zu brechen. Und zwar nicht nur auf der Beletage, sondern auf allen Ebenen des Unternehmens. „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“ wie schon Protagoras vor 2.500 Jahren wusste.

Kommentare

Solange strategische Fragen zu klären sind, Interessen balanciert und Entscheidungen getroffen werden müssen, solange bleibt der Mensch das "Maß aller Dinge". Das Internet der Dinge zeigt aber, dass der er bei Fragen der Produktivität, Fertigung, Wartung, Datenanalyse und selbst bei deren Interpretation längst ins Glied zurückgetreten ist. Demnächst spielt er auch in der Logistik keine Rolle mehr.

Leider suggeriert die sogenannte Businesswelt, dass der Mensch durch Algorithmen ersetzt werden wird. Ein formidabler Trugschluss, wie Sie mit Ihrem Blog beschreiben. Ich teile in voll und ganz.

Zumindest so lange es Menschen gibt werden Menschen die zentrale Rolle in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik innehaben. Gelegentlich vergessen aber die Eliten der Wirtschaft, dass es am Ende Menschen und nicht Maschinen sind, die den Mehrwert für den Kunden bringen. Sie behandeln Menschen aber wie Maschinen: Immer unter Vollast fahren und wenn sie ausfallen, austauschen.

Wir müssen uns daran gewöhnen, dass nicht mehr der Mensch alleine Produktivität sicherstellt. Alles was automatisiert werden kann, wird auch automatisiert. "Maschinen" können das übernehmen und unfallfrei perfektionieren. Für kreative Prozesse, Erfindertum, Konfliktlösungen etc. sind wir aber noch unentbehrlich und werden es wohl bis an's Ende der Tage auch bleiben. Um dafür aber gewappnet zu sein, brauchen wir den wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Diskurs. Denn Verlierer werden aus den bildungsfernen Schichten kommen und die Bindungskraft des sozialen Kitts der Gesellschaft schwächen.

Seit Langem ist bekannt, dass die Entwicklung des Menschen der technologischen hinterherläuft. Irgendwann ist er abgehängt und spielt keine maßgebliche Rolle im Weltgeschehen mehr., weil "Maschinen" Wirtschaft, Gesellschaft und Politik bestimmen. Da der Mensch aber pfiffig genug ist, wird er sich bis dahin wieder eine Nische gesucht haben.

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