Drei Mythen, die die Wirtschaft erodieren lassen, und wie man sie ersetzen kann

System Management

Von Walter Braun

Zunehmend findet Wirtschaft in dynamischen, globalen und kaum berechenbaren Märkten statt. Mag es noch in der frühen Industrialisierung möglich gewesen sein, die Angebots- und Nachfrageseite eines Unternehmens als überschaubar zu erleben, wird dies bei der Fülle der Marktakteure, ihrer Beziehungen untereinander und der unberechenbaren Interaktionen und Human Factors, auch von strukturkonservativen Managern kaum mehr erwartet. Gleichwohl halten sich hartnäckig Mythen, die sich bei näherer Betrachtung als old fashioned erweisen.

 

Mythos 1:

Unternehmen sind planbar

Das Mantra des Budgetierens, Organisierens von Prozessen und Abteilungen oder auch der allseits beliebte Forecast sind regelmäßig wiederkehrende Rituale, die einer Halbwertzeit von Tagen oder Wochen zum Opfer fallen, jedenfalls nicht den Erfolg maximieren. Im Gegenteil: Heerscharen von Personen sind in ihrer Energie behindert, weil sie sich mit formalen, administrativen Vorgängen und Rechtfertigungen befassen müssen, anstatt offensiv ihr eigentliches Kerngeschäft vorantreiben zu können. Wer genau was wann wo und wem gegenüber zu berichten hat, sind funktional getaktete Organisationsprinzipien, die dem heutigen Innovations- und Veränderungsdruck der Märkte nicht mehr gerecht werden. Unternehmen brauchen flexible, lebendige und vernetzte Strukturen, in denen das ursprünglich ungeteilte Wissen synergetisch zum geteilten wird. Abteilungsegoismen und Abgrenzungen mögen zwar die formale Transparenz der Unternehmenswelt und die Sanktionierbarkeit erhöhen, sie ignorieren aber die interne und externe Systemkomplexität. Der Mythos der Planbarkeit muss ersetzt werden mit dem Prinzip eines Experimentierens mit Szenarien und des Vernetzens von Menschen, Produkten und Wertschöpfungsprozessen.

 

Mythos 2:

Der Mensch ist steuerbar

Hartnäckig und insbesondere von den Hardcorespezialisten des HR befeuert, hält sich die Meinung, der Mensch lässt sich an Zielen ausrichten, durch Androhung von Sanktionen auf Spur bringen und mit Belohnungen willfährig machen. Die Folterwerkzeuge der Mitarbeiterbeurteilung sind dazu das bevorzugte Instrument. Menschen brauchen Freiraum, Zutrauen und sinngebende Ausrichtung. Wer dem Affen Zucker gibt und hofft, dass er tanzt, folgt einem zutiefst naturfeindlichen Menschenbild, wonach Kontrolle notwendig und Eigeninitiative sozialromantisch ist. Das System solcher Glaubenssätze macht Kontrolle erst erforderlich und jede Kontrolle zusätzliche Kontrolle. Freie Entfaltung, Kreativität, Eigenverantwortung und Eigenmotivation bleiben dabei naturgemäß auf der Strecke. Wer Menschen in ihrer Freizeit oder in Arbeitssituationen, die ihnen Spaß machen, beobachtet, sieht, dass sie sich bis zum Umfallen engagieren, Spaß an Herausforderungen haben und sich mit der Arbeit bzw. den Aktivitäten maximal identifizieren. Der Mensch ist prinzipiell selbstführungsfähig. Er braucht dafür allerdings die auslösenden Handlungsspielräume, Ermutigung und Ressourcen zur Fortentwicklung seiner Selbstführungsfähigkeit.

 

Mythos 3:

Märkte sind beeinflussbar

Zufall und Notwendigkeit sind in der Biologie uralte Erkenntnisse. So langsam zeigt sich in Beschaffungs- und Absatzmärkten, dass Zufall, Unbestimmtheit und Intransparenz marktcharakterisierende Merkmale sind. Marktteilnehmer handeln alles andere als rational und zielorientiert. Verdeckte Egoismen, Launen und Bedürfnisse regieren die deklarierte Vernunft. Weder ausgefeilte Marketingkreationen noch super veredelte Produkte hebeln diese aus und geben Garantien. KPI, Berichtswesen oder Marktanalysen und SWOT-Ideologien begründen ein statisches, lineares Marktdenken und gehören in die Asservatenkammer der Wirtschaftsgeschichte. Der Austauschprozess mit und in den Märkten folgt nicht logisch rationalem Kalkül, sondern basiert auf dynamischen Wechselwirkungen. Wer Markt verstehen will, muss aus verschiedenen Marktszenarien und deren Simulation Optionen für Strategien und Aktionen ableiten, diese ausprobieren und mit dem Scheitern rechnen, um Alternativen zur Abwehr des Scheiterns hervorzubringen.

Kommentare

Ich möchte noch einen weiteren Mythos hinzufügen, wonach unser Wirtschaften strukturiert ist: der unbedingte Glaube, nur Messbares zählt. Hier liegt die Grundlage für das Budgetieren und Kontrollieren. Im Blog wird aber deutlich, dass in komplexen Situationen dies schlicht nicht mehr möglich ist. Zu viel Unvorhersehbares pulverisiert die Kennzahlen. Denken und Handeln in Szenarien und viel Freiraum für Mitarbeiter sind brauchbare Optionen.

Wer nicht daran glaubt, Märkte beeinflussen zu können, sollte kein Unternehmer sein! Was bewirken zu können, ist doch für jeden Verantwortlichen eine Grundbedingung. Dass der Glaube daran natürlich nicht ausreicht, ist selbstverständlich, denn man muss neben dem eigenen Können auch Glück und tüchtige Helfer haben. Oder?

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