Wer nicht kommt zur rechten Zeit... oder warum die Personalentwicklung zum Vorreiter werden muss

System Management

Von Walter Braun

Aus mehreren Gründen ist es für Unternehmen unverzichtbar, kritisch über manifeste Regeln, definierte Prozesse, ihr gewachsenes Selbstverständnis und hierarchische Strukturen nachzudenken:

  • Kunden wollen spezielle Lösungen und zwar sofort und von hoher Güte,
  • das Marktumfeld verändert sich zunehmend dynamisch wie man am globalen Wettbewerb, an agilen Mitbewerbern oder dem demografischen Wandel sehen kann,
  • ein hoher Innovationsdruck liegt auf der Neu- und Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen,
  • steigende Qualitätsansprüche zwingen zum interdisziplinären Erfahrungsaustausch,
  • Kollaboration erleichtert komplexitätsrobuste Strukturen, anforderungsresiliente und kostenoptimierte Geschäftsmodelle,
  • Projektarbeit nimmt exponentiell zu und muss daher hinsichtlich ihrer Schnittstellen und Wertbeiträge optimiert werden,
  • Mitarbeiter möchten mitgestalten, Sinn erleben und eine Rolle spielen,
  • Entscheidungen müssen auch unter Unsicherheit schnell getroffen und umgesetzt werden.

 

Hierarchische Strukturen, hoch spezialisierte „Silos“, Best-Practice-Standards, ritualisiertes Qualitätsmanagement und Organigramm-Mentalitäten passen zu diesen Anforderungen nicht so recht, weil Individualität, Know-how-Transfer, schnelles Entscheiden und flexibles Anpassen an sich rasch veränderte Situationen dabei auf der Strecke bleiben.

Man muss sich nur die Autobauergiganten der Welt im Verhältnis zu „start-ups“ wie Tesla betrachten, um nachvollziehen zu können, wie mit Oldschool-Strukturen Organisationen behäbig und inflexibel werden. Auch die fortschreitende Dematerialisierung von Produkten in der Schlüsselindustrie, wo längst Apps den physischen Türöffner ersetzen, sollte die Veränderungsbereitschaft beschleunigen.

Demnächst werden wie selbstverständlich Computer entscheiden, welcher Mitarbeiter eingestellt wird, welches Hemd einem besser passt, welche Gesundheitsdiagnose gestellt wird, welcher Spurwechsel auf der Autobahn vorgenommen wird, welche Anlageform die Altersvorsorge am besten sichert oder welche Aufgaben noch dem Menschen bleiben. IBMs „Watson“ lässt einigermaßen ahnen, wo die Reise hingeht.

Wem es gelingt frühzeitig und individuell auf technische Entwicklungen und Kundenforderungen einzugehen, wird proaktiv den Markt beeinflussen können. Wem nicht, dem bleiben nur schnelles Reagieren und eine Portion Glück, nicht zu spät dran zu sein. Der Auftrag, zukunftsrobust zu werden, geht an alle – nicht nur an die Managementeliten. Personalverantwortliche müssen ihr Bild vom Great Man ad acta legen, Personalentwickler neue Kulturwerkzeuge wie etwa World-Cafe, Design-Thinking, Sketching etc. einführen, Führung durch Moderation ersetzt werden, Mitarbeiter bereit und fähig sein, Verantwortung für Arbeitsergebnisse zu übernehmen und wechselnde Arbeitsverhältnisse zu ertragen.

Diese Anschlussfähigkeit an gewandelte Bedingungen herzustellen, ist schon immer der Job einer strategischen Personalentwicklung – nur jetzt mit völlig neuen Geschwindigkeits- und Denkanforderungen. Sie muss schnell herausfinden, in welchen Abhängigkeiten  sich das Unternehmen befindet und wie dieses für seine Menschen attraktiv bleiben kann.

Alles übrigens kein Hexenwerk, sondern Ergebnis von Einsicht und konzeptionell begründeter Personalentwicklung. Dafür braucht’s kreative und mutige Menschen und solche, die diese unterstützen. Sie etwa zweimal im Jahr Zukunftswerkstätten mit Fach- und Führungskräften veranstalten oder in einem Pilotprojekt neue Formate der Qualitätszirkelarbeit erproben oder einfach nur mal gezielt experimentieren lassen.

Handeln, bevor nur noch wenig Spielraum übrig bleibt, ist das Motto einer modernen PE!

 

Kommentare

Diese strategische Funktion, die Sie der PE zuweisen, kann nur mit starken Persönlichkeiten und ganzheitlich denkenden Fachleuten erfüllt werden. Solange die PEler sich als Seminarverwalter verstehen, werden sie bleiben, was sie sind: Kataloganbieter mit Placeboprojekten. Die Musik spielt in der Linie und von der sind sie weit weg.

Ihrem Blog stimme ich voll zu. Wer sollte sonst die personalbezogenen Herausforderungen lösen und zukunftweisende Konzepte aufsetzen außer die Personalentwickler. Die haben die Qualifikation dazu und definitiv den Auftrag dazu. Sie kennen sich mit den psychologischen und pädagogischen Inhalten der Veränderungsarbeit aus und wissen, wie diese zu gestalten ist.

Zugegeben: Der Anpassungsdruck steigt und auch der rasche Anforderungswechsel. Gerade deswegen sollten nicht die üblichen Reflexe einsetzen, "Feuer" rufen und löschen, wo man selbiges höchstens vermutet. Einige Szenarien auf der Basis einer ganzheitlichen Analyse durchspielen und dann über die Zukunft entscheiden, sollte zielführender sein als ein "operatives Heldentum" ( so nennen Sie doch die Aktionisten, oder?).
Viele Grüße aus Heidelbergs!

Neuen Kommentar schreiben

(If you're a human, don't change the following field)
Your first name.
(If you're a human, don't change the following field)
Your first name.
(If you're a human, don't change the following field)
Your first name.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Internet- und E-Mail-Adressen werden automatisch umgewandelt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.