Warum Führungstrainings meist wenig bewirken und wie sie renoviert werden könnten

System Management

Von Walter Braun

Gebetsmühlenartig wird Leadershiptraining das Wort geredet. Und die Protagonisten bleiben nicht nur beim Reden: Seit Jahr und Tag definieren sie inspirierende Verhaltensstandards, zeigen Techniken zur Überzeugung der Mitarbeiter auf, beschwören die Magie des Wandels und trainieren alles zusammen in aufwändigen Modulen. Nicht genug damit: Transfertage sollen die Praxisrelevanz absichern helfen. Innovationspreise, Kongresseinladungen und Trainingsawards sind öffentlich geadelte Früchte ihrer Arbeit.

Die Trainingsindustrie blüht und schafft Arbeitsplätze. Führungskräfte strotzen vor Karrierepotenzial und Image, Personalentwickler fühlen sich als strategische Partner der Wertschöpfung und Budgetverantwortliche investieren guten Glaubens in ihre Mitarbeiter. Alles gut! Oder doch nicht? Eher doch nicht! Denn Unsummen guten Geldes wird verbrannt.

Potemkinsche Dörfer verstellen den Blick auf die Realität

Denn trotz der seit Jahren rollenden Investitionswelle von bis zu 20 Milliarden Euro bleibt der sichtbare Effekt eher mager und in wortreicher Prosa interessierter Vermarktungsprofis stecken. Immer noch fühlen sich nach der jüngsten Gallup-Studie etwa 68 % der Mitarbeiter emotional nicht an ihr Unternehmen gebunden und machen Dienst nach Vorschrift. Der „Chef“ ist einer, der meist genannten Wechselgründe, wenn wir z. B. in Bewerbungsgesprächen die Kandidaten nach den Kündigungsanlässen fragen. Nahezu alle haben übrigens auch aufwändige Führungstrainings in ihren Altunternehmen absolviert und sind durchaus der Meinung, Profis im Umgang mit anvertrauten Menschen zu sein. Nur dumm, dass diese das anders sehen. Regelmäßig ist das Fremdbild, (das der Mitarbeiter) disparat zu dem Selbstbild (das der Führungskräfte). Die einen fühlen sich inspirierend. Die anderen genervt. Führung ist eben nicht in einer Wenn-Dann-Logik zu erfassen, sondern in hohem Maße in ihrem Wesen komplex.

Dabei fehlt es nicht an illustren Titeln, die das Beherrschen dieser komplexen Situationen insinuieren. Sie dringen aber in ihren Inhalten nicht zu den eigentlichen Grundhaltungen und Einstellungen der Teilnehmer durch und verharren auf Appell- und Verhaltensebenen. Mit dynamisch getriggerten Übungen, deklinieren die Teilnehmer dabei verschiedene Verhaltensweisen, um Mitarbeiter zu inspirieren, begeistern oder zu motivieren. Wenn das aber nur so einfach wäre, dürfte es keine Probleme geben. Ist es aber nicht! Wunsch und Wirklichkeit driften dabei mehr auseinander als sie zusammenfinden.

 

Drei fundamentale Irrtümer von Leadershiptrainings

 

Aus drei psychologischen Gründen springt der appell- und verhaltensbezogene Ansatz zu kurz:

  1. Menschen sind keine Input-Output-Maschinen. Sie lassen sich nicht motivieren, sondern motivieren sich selbst, wenn sie Anlass dazu haben und nicht, wenn ihnen mit psychologischer Raffinesse Vorteile von „Extrameilen“ schmackhaft gemacht werden. Sinn schafft Einsicht und diese ist der erste Schritt zu einer möglichen Änderung des Verhaltens. Mehr nicht. Solange der Einsicht nämlich noch Ängste vor Neuem, Zweifel am Gelingen oder einfach nur Unsicherheiten gegenüber stehen, wird’s nichts mit der Umsetzung. Die persönliche Stärkung und nicht die verlockenden Ziele sollte daher im Zentrum des Bemühens der Führungskräfte stehen.
  2. Zum Führen nützt ein Werkzeugkoffer nur begrenzt. Führungskräfte bzw. auf Führung trainierte Menschen mühen sich mit Verhaltenstechniken vergeblich ab, wenn diese nicht ihren Grundhaltungen und Werten entsprechen. Eine Führungskraft etwa, die zwar überzeugt ist, dass Inspiration ein wirksames Mittel zur Überzeugung darstellt, aber doch leise Zweifel an ihrer Fähigkeit dazu hegt, wird kaum ihr Verhaltensrepertoire ausbauen, sondern eher bei ihrer alten Linie im Ernstfall bleiben. Noch mehr wird sie das tun, wenn sie Inspiration als modischen Firlefanz betrachtet.
  3. Führungssituationen sind zu komplex, um sie mit zwei oder drei Verhaltensweisen bewältigen zu können. Der selbe Mitarbeiter bevorzugt in der einen Situation kurze Anweisungen, in einer anderen eher eine liebevolle und nachsichtige Unterstützung, in einer dritten eine flammende Hauruck-Rede und in einer vierten wiederum überhaupt keinen Einfluss, weil er autonom bestimmen möchte, wo’s lang geht. Ähnlich verhält es sich bei unterschiedlichen Mitarbeitern in der selben Situation.

 

Renovierungspunkte

 

Führungstrainings verfehlen ihre Wirkung, wenn sie den eben genannten Irrtümern folgen. Die besseren Alternativen wären, Fertigkeiten zu entwickeln,

  • anlass- und persönlichkeitsbezogen die Wahrnehmung für unterschiedliche Führungsanforderungen zu schärfen,
  • seine inneren Ressourcen im Kontext Führung zu erkennen und auszubauen,
  • das innere Bild über „Führung“ auf Angemessenheit zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern.

Mitarbeiter wollen etwa mehr beachtet, wertgeschätzt und informiert sein. Führungskräfte sind überzeugt, genau dies zu tun. Solange aber

  • diese Diskrepanz nicht offen diskutiert wird,
  • die unterschiedlichen Rollenerwartungen intransparent sind,
  • die Führungsaufgaben nur grob bewusst sind,
  • das innere Bild über Führung auf Mitarbeiter- und Vorgesetztenebene unklar ist

verpuffen Trainings, Appelle und Führungsmodelle.

Die Logik des Misslingen hierarchischer Führung muss ersetzt werden von der Logik der Augenhöhe, die auf selbstbestimmte Arbeitsvorgänge, Verantwortung für Ergebnisse, Vertrauen in die Menschen und wertschätzendes Verhalten setzt. Letzteres bedeutet nicht nur angemessen Loben. Aufmerksamkeit schenken und Interesse an den Sichtweisen des Anderen symbolisieren ebenso Augenhöhe – soweit sie einer inneren Haltung entspringen. Reflektion und innere Transparenz sind dazu die Trainingsagenden.

Wer mit Fluktuation, Krankentage, Überstunden, Mobbing, Zielen, Leistung und Zusammenhalt als Führungskraft konfrontiert wird, sollte alles daran setzen, seine inneren Ansichten dazu zu kennen, die Motivlagen der anvertrauten Mitarbeiter zu verstehen und daraus einen Realitätsbezug herstellen, der die Grundlage für  seine affektiven und kognitiven Verhaltensweisen darstellt. Führungskräfte lernen so, sich anforderungsbezogen selbst wahrzunehmen und Mitarbeiter in ihrem je spezifischen Grad an Selbstbestimmung und –verantwortung abzuholen. Sie können das Potenzial ihrer Gruppe heben, weil sie sensibilisiert sind für die systemische Charakteristik ihrer Rolle und die Bedeutung aller Mitarbeiter.

Dazu braucht es keine Helden, Transformer oder Superleader, sondern Menschen, die ihr Handwerk verstehen. Dazu müssen Trainings beitragen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!

 

 

Kommentare

Hallo Herr Braun, Ihr Artikel hat mich sehr nachdenklich gemacht. Weniger Techniken und mehr Reflektieren sollten die Trainings der Führungskräfte bestimmen. Dazu ist eine wertschätzende Kultur erforderlich. Leider steht die oft nur auf Vortragscharts. Mit der nächsten MA-Befragung werde ich das mal eruieren und die "Logik der Augenhöhe" einschätzen.

Es ist wie bei den Werbeausgaben: 50% sind für die Katz. Nur welche, weiß man nicht. Das Verhältnis dürfte sich noch verschlechtern, wenn die Trainingsabteilungen bei ihren Routinen bleiben. Ihre "Renovierungspunkte" zwingen zu einem grundlegenden Umdenken der Verantwortlichen und da bin ich doch sehr skeptisch. Auch wenn es der richtige Weg ist, bleibt man doch lieber beim alten. Zumindest solange er nicht mit Stolpersteinen übersäht ist.

Einmal davon abgesehen, dass es immer wieder Blender und slebsternannte Gurus gibt, wenn die Trainingsinhalte aus der Notwendigkeit der betrieblichen Situationen abgeleitet werden, kann auch mit einem gewissen Quäntchen Erfolg gerechnet werden. Dass es allerding auch auf andere Umsetzungsmerkmale wie z.B. Unterstützung durch Vorgesetzte, die persönliche Fähigkeit zur praktischen Umsetzung oder eine Arbeitskultur, die die Umsetzung erleichtert, kommt meist bei der Erfolgsbetrachtung zu kurz. Trainieren und Transferieren sind wie ein Tanzpaar, das aufeinander eingespielt sein muss. Wenn nicht: behindern sie sich gegenseitig.

Seminare von der Stange und gespickt mit Allgemeinplätzen sind doch längst vom Markt verschwunden. Ich kann auch nichts Schlimmes an inspirierender Führung finden. Die ist doch unabhängig von der Situation ein Stil, der bei Mitarbeitern Bereitschaft für neue Ziele auslöst. Damit ist mehr gewonnen als mit gebetsmühlenartigen Und gut begründeten Appellen. Oder etwa nicht?

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