Mitarbeiterführung ist eigentlich überflüssig

System Management

Von Walter Braun

Schon während meines Studiums lernte ich bei Saab Scania in den 1980er Jahren die psychisch anstrengenden, aber hoch produktiven teilautonomen Arbeitsformen in der Industrie kennen.

Das spannende daran war: Sie kamen gänzlich ohne psychologische Führungsansprüche wie etwa transformationale, mitarbeiterorientierte etc. Führungsstile aus, weil sie ausschließlich an Selbstorganisations- und Selbstführungsprinzipien ausgerichtet waren.

Auch heute noch werden von Mitarbeitern diese Fähigkeiten abgefordert, insbesondere dann, wenn sie den hohen Innovations-, Leistungs- und Veränderungsdrücken in ihren auf Wachstum und Rendite getrimmten Unternehmen gewachsen sein wollen. Führung als hierarchisch definierte Funktion bremst hier eher das Auslösen dieser Personenmerkmale als dass es sie fördert.

Proaktives Entscheiden auf der Mitarbeiterebene verliert sich im Instanzweg der Hierarchien. Experimentieren, um optionale Lösungen gegenüberstellen und bewerten zu können, fällt der Risikophobie vor ungewohnten Vorgehensweisen zum Opfer und der Mitarbeiterdrang nach Eigenständigkeit dem Karrieredenken des Chefs. Die Komplexität verkommt zum Modebegriff und verliert in der Machbarkeitsillusion erfolgsgetrimmter Führungskräfte ihre charakteristischen Merkmale wie etwa Unbestimmtheit und Dynamik.

Führung in dynamisch und komplexen Situationen sollte daher begrenzt sein auf das Bereitstellen von notwendigen Ressourcen und das Koordinieren von Arbeitsabläufen sowie transparent Machen der Arbeitsziele. Die Digitalisierungswelle, insbesondere im Industrie 4.0 Zeitalter, begrenzen zudem Führung auf das Evaluieren der technischen Prozesse.

Führung im hierarchischen Sinn wird daher in Zukunft komplett überflüssig werden, da selbstbestimmte Menschen, ablaufoptimierte Prozesse und vernetzte Unternehmensstrukturen keine statischen Führungsprinzipien vertragen, sondern der Dynamik und der Entwicklungsverantwortung einer Gruppe überlassen bleiben.

Das Entwickeln von Mitarbeitern, Beachten von Bedürfnissen, Fördern von Talenten, Bereinigen von Konflikten etc. werden nicht mehr von ohnehin sozial dilettierenden direkten Vorgesetzten verantwortet, sondern von abteilungsunabhängig agierenden Beziehungsagenten bzw. von Ombudsmännern oder –frauen.

Kommentare

Es fällt mir schwer, ihre Thesen zu akzeptieren und Ihnen zu widersprechen. "Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust....". Solange wir nicht radikal neue Managementprinzipien postulieren und uns Neuem diskursiv als Option öffnen, bin ich von der Idee der selbstgesteuerten Verantwortung angetan. Das braucht eine Kultur des Miteinanders. Diese Zeit. Und Zeit wiederum ist definiert und begrenzt. Wenn es also nicht nur eine theoretische Provokation sein soll, könnte man ja mal in der Projektarbeit anfangen und lessons learned in Bezug auf die Auf- und Ablaufprozesse im Betrieb betreiben.

Es entspricht der westlichen Hierarchietradition, dass der Ober den Unter sticht. So lange wir in den Unternehmen diese Ideologie nicht in Frage stellen, bleibt sie uns erhalten. In Frage stellen können aber nur Meinungsbildner und das sind i.d.R. die Führungskräfte selbst. Und welcher Frosch trocknet schon seinen eigenen Teich aus?
M.M. Nach kann helfen: Flache Hierarchien einrichten, Ergebnisverantwortung in die Gruppe und hin und wieder auf Kongresse gehen, um Impulse von modernen Firmen zu erhalten.

Selbstbestimmung und der Wunsch nach Eigenständigkeit sind sicherlich gute Bedingungen für eine flache Hierarchie mit großer Eigenverantwortlichkeit für die Tätigkeit. Aber auch flache Hierarchien kommen nicht ohne richtunggebende Instanzen und Steuerung aus. Ich stimme aber ausdrücklich zu, dass Führung nicht mehr mit Kontrolle und Sanktion alleine zu tun haben darf, sondern eher mit dem Setzen von Impulsen, Geben von Feedback und dem Ausloten von Optionen. Überlegenswert ist auch die Einrichtung von abrufbaren Think Partners, die eingefahrene Routinen aufbrechen und Blickwinkel erweitern können.

Seit Jahren wird der Begriff Lähmschicht mit Führung in Verbindung gebracht, um zu verdeutlichen, dass der Instanzenweg Innovationen und Produktivität behindert. Führung ist typisch für bürokratisierte Organisationen, deren oberstes Ziel darin besteht, keine Fehler zu machen und da dies aber unausweichlich ist, schnell den Schuldigen dingfest zu machen.

Die Wirtschaft ist tatsächlich in einem bislang kaum bekanntem Maß im Umbruch. Insofern muss auch die Rolle des Vorgestzten neu gedacht werden. Ich kann mich gut damit anfreunden, diesem nur noch eine koordinierende Dienstleisterrolle zuzuweisen. Ergebnisverantwortung gehört in die Gruppe, die im rotierenden Zycklus den Koordinator bestimmt, der gleichzeitig einem Kontaktzirkel zur Unternehmensleitung angehört, um den Link zu den Zielen und Strategien des Unternehmens zu gewährleisten.

Führung wird solang erforderlich sein, wie es fremdbestimmte Arbeit gibt, da Ziele und Geschäftszwecke kaum so mit der Vorstellung der Beschäftigten übereinstimmen, dass die ohne Vorgaben und Korrekturen auskämen. Spätestens nach der ersten Wachstumswelle, werden auch Start Ups Strukturen und Lenkung brauchen. Entspannt euch also, liebe Führungskräfte, ihr werdet auch weiterhin gebraucht.

MB

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