"Psychopathen" im Management

System Management

Von Walter Braun

Es ist schon ein herausforderndes Phänomen: Mit Zunahme der hierarchischen Position steigt eine gewisse Schmerz- und Empathiefreiheit bei den handelnden Personen. Die dabei erkennbaren Charaktereigenschaften wie etwa Rücksichtslosigkeit, soziale Inkompetenz, Machtstreben und egomanische Züge gehen einher mit korruptem Verhalten, Raffgier und Erfolgsstreben auf Kosten der sozialen Gemeinschaft und des Unternehmens.

Populärwissenschaftliche Veröffentlichungen sprechen in diesem Zusammenhang oft von Psychopathen in der Wirtschaft. Aus Untersuchungen in den USA und neuerdings auch in Deutschland weiß man, dass psychopathische Persönlichkeitseigenschaften wie etwa Machtstreben etc. in der Managementelite stärker auftreten als im Angestellten- und Werkerbereich. Neuerdings konnte festgestellt werden, dass wohl auch bei Studienanfängern in wirtschaftswissenschaftlichen Fächern durchschnittlich höhere Ausprägungen von Psychopathie, Narzissmus und Machiavellismus (dunkle Triade) zu finden sind als bei Studierenden anderer Disziplinen.

Wenn also schon so disponierte Personen bevorzugt Wirtschaftsfächer wählen, ist es nachvollziehbar, dass je häufiger diese Grundstrukturen in der Persönlichkeit eines Menschen dominieren, desto mehr finden sie ihre Verbreitung und ihren Nährboden in Wirtschaftsstrukturen und Unternehmenskulturen, die Erfolg, Durchsetzungsfähigkeit und Machtbewusstsein besonders fördern und belohnen.

Das wäre für sich genommen noch kulturell steuerbar, man könnte aufklären und gezielt mit Complianceregeln intervenieren, aber die sozialen, gesellschaftlichen und betrieblichen Schäden, die „Psychopathen“ anrichten, gehen in die Millionenhöhe.

Wir sollten daher endlich dazu übergehen, nicht nur präzise Verhaltensanforderungen und wünschenswerte Einstellungen zu definieren, sondern auch solche, die auf der Arbeitsstelle überhaupt nicht auftreten sollten, und die Disposition einer Person dazu herausfinden. Dafür muss man nicht gleich psychriatische Gutachten erstellen. Man könnte z. B. kontextbezogene Fragen etwa zu egozentrischem, manipulativem und autistischem Verhalten beantworten lassen und daraus die Disposition zu diesen Merkmalen situationsbezogen ableiten..

Schädliche und förderliche Verhaltensweisen und Personenmerkmale treten immer gemeinsam auf. Erstere allerdings zumeist maskiert. Mit Interviewtechniken, Critical Incidence Technique-Ansätzen und Testverfahren können anforderungsadäquate Profile relativ verlässlich erfasst werden. Der Anspruch besteht lediglich darin, neben den positiv wünschenswerten Eigenschaften auch danach zu fragen, was einen Arbeitsplatzinhaber scheitern lassen würde. Ähnlich wie bei der Definition von kritischen Ereignissen in Projekten.

Kommentare

Jeder Mensch kann bestimmte Sachen sehr gut. Und die oben beschriebenen Machtmenschen haben meist Eigenschaften, die sie erfolgreich machen. Sie können sehr viel Energie entwickeln, Produkte erfolgreich zu machen, sie wirklich an den Mann zu bringen, auch wenn sie nicht besser sind als die der Mitbewerber. Denn der Narzist hat vor nichts so viel Angst, wie davor, nicht erfolgreich zu sein. Somit entwickelt er sehr oft einen überdurchschnittlichen Instinkt für Erfolg.

Mit entsprechender Führungsausbildung und Führungscoaching kann ich solche Menschen zu hervorragenden Führungskräften ausbilden, da sie als Narzisten auch den Drang haben, bei allen beliebt zu sein. Und genau diese Motivation kann ich beim Coaching wunderbar nutzen, um ihre Energie zusätzlich auf ihre Mitarbeiter zu lenken. Sie brauchen auf diesem Gebiet sicherlich Hilfe, doch denke ich, dass sich diese Investition für die Firma vielfach bezahlt machen kann.

Ehrgeiz und Machtstreben werden von Kindheit an als wünschenswerte Tugenden in Schule und Gesellschaft propagiert. Das ist solange nicht infrage zu stellen, wie gleichzeitig deren Übertreibung und deren psychosozialen Auswirkungen auf andere thematisiert werden. Auch in Führungstrainings wird dies eher am Rande oder gar nicht behandelt. Egomane Lebensziele gibt es schon immer und setzen sicher auch Energie frei. Energie, die nützlich oder zerstörend wirkt. Die Grenzen sind fließend und sollten gerade in Führungstrainings individuell und unternehmensbezogen ausgelotet werden.

Die zurückhaltende Art, über "Psychopathen" im Management zu reden, ist angemessen und macht deutlich, dass wir nicht vorschnell klinische Diagnosen als stammtischtaugliche Plattitüde bemühen sollten, wenn wir uns über das egomane Verhalten von Spitzenmanagern ärgern. Ich kenne sehr viele, die Verantwortung dem Unternehmen, ihren Mitarbeitern und der Gesellschaft gegenüber vorbildlich und ohne Trara leben. Deswegen sollte als Karriereanforderung spätestens ab Abteilungsebene die Ausprägung sozialverträglicher Merkmale bei den zur Auswahl stehenden Menschen überprüft werden.

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