Wie Führung dem Umbruch zum Durchbruch verhilft

Walter Braun

Von Walter Braun

Längst bewegen sich Unternehmen in komplexen Märkten, sie wenden aber immer noch die alten Methoden und  Prozesse zur Steuerung ihrer Wertschöpfung an. Dass das nicht gerade zukunftsfähig ist, liegt auf der Hand. Einerseits. Andererseits ist es das Resultat menschlicher Denkmechanismen zur Wahrung des Kompetenzbedürfnisses.

Kunden, Abteilung, Mitarbeiter, Lieferanten ja sogar Geschäftsmodelle stehen in permanenter Wechselwirkung zueinander und entziehen sich rationalen Modellen oder Wenn-Dann-Logiken. Stabilität in Unternehmen ist unter diesen Vorzeichen eine Illusion. Wer in kleinteiligen Zielen und sanktionierender Kontrolle das Heil sucht, scheitert mit seinen mechanistischen Methoden, weil sie Berechenbarkeit voraussetzen, wo es keine gibt. Insbesondere fehlt sie bei digitalen Geschäftsmodellen, die eher durch Vielfalt, Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Komplexität charakterisiert sind. Der rasante Wandel der Wirtschaft liefert (Stichwort: Industrie 4.0, Arbeit 4.0 etc.) überzeugende Beispiele dafür. Dennoch ritualisiert das Management weiterhin Budgetplan, Organigramme, Stellenprofile, Forecast, Berichtswege etc. als gäbe es kein Morgen.

Unterm Strich kann man sagen: Umbrüche sind auch deswegen so schwer zu bewältigen, weil Menschen gerne beim Vertrauten verharren und von stabilen, beherrschbaren Verhältnissen ausgehen – unabhängig davon, ob das gerechtfertigt ist oder nicht.

Warum Mensch gerne beim Alten bleibt

Von Anfang der Menschheitsgeschichte an hat das Gehirn gelernt, dass Unbekanntes eine potenzielle Bedrohung darstellt, der man besser aus dem Weg geht. „Herr des Verfahrens sein“ fesselt uns an Bekanntes und schützt uns damit vor Ängsten und Unsicherheiten. Es ist gewissermaßen eine biologisch sinnvolle  Überlebensstrategie, Berechenbarkeit auf die Agenda des Lebens zu setzen. Das süße Gift der Machbarkeitsdogmen ist die Folge. Sie verführen zur Illusion, Kontrolle über das Geschehen zu haben. Probleme werden zu Herausforderungen verniedlicht und „alles hat eine Ursache“ verengt die Suche auf den „einen“ Grund. Das Wortgebimmel der „Macher“ verschafft sich die dazu passenden Strukturen und Instrumente. Es gehört schon eine gehörige Portion Mut dazu, von solchen Steuerungsillusionen zu lassen und auf alternative Organisationsprinzipien wie etwa Vernetzung, Kollaboration, Selbstorganisation, Culturchange und auf Systemdynamiken zu setzen, um dem lähmenden Silo- und Hierarchiedenken zu entkommen.

Mehr vom Gleichen nährt hingegen die gefühlte Sicherheit und verführt zur beruhigenden Überzeugung, handlungsfähig zu sein ohne dazu viel Mut zum Risiko zu investieren. Gewohntes ist vertraut und beherrschbar, Neues unsicher und bedrohlich. Was davon wohl beliebter ist?

Warum Mensch gerne der Verlustaversion erliegt

Die Tendenz, trotz sichtbar andersartiger Anforderungen beim Alten zu bleiben, ist auch vor dem Hintergrund einer genetisch verankerten Verlustangst verständlich. Menschen sind in ihren Entscheidungen nicht so sehr davon getrieben, etwas zu gewinnen, sondern davon, keine Fehler zu machen und etwas zu verlieren. Wir versichern uns gegen alles, bleiben unseren Vorlieben für Automarken treu und verteidigen unsere längst widerlegte Ansicht. Bedrohliches wird schneller wahrgenommen als Vergnügliches, weil es uns vor Schaden bewahrt. Was wir haben, geben wir nicht mehr her! Neuropsychologen konnten diese Verlustaversion auch physiologisch anhand von Ausschüttungen des „Wohlfühlhormons Oxytocin in den Kerngebieten des Hypothalamus nachweisen. Vertrautes beruhigt und bindet Menschen emotional. Neues irritiert. Die Verlustaversion entfacht so eine ungeheure Bremskraft bei Innovationen: Zwar besteht Einsicht in die Notwendigkeit, das Risiko eines möglichen Scheiterns und damit des Verlustes lässt einen aber doch lieber beim Alten bleiben.

So kommt es, dass selbst sichtbare Bedrohungen bagatellisiert und mit viele Energie etwa rechtlich bekämpft werden, ohne ihre Auswirkungen aber aufhalten zu können. Mobbing in der Abteilung, digitale Geschäftsmodelle im Markt oder künstliche Intelligenz in  der Mitarbeiterauswahl lassen sich nicht formal verhindern. Eher mit kluger Akzeptanz parieren.

Wie Mensch diesen Denkfallen entkommt und was Führung damit zu tun hat

Hier fällt der künftigen Führungskraft eine bedeutende Rolle zu: Sie kann durch ihr Wissen um solche Verhaltenspräferenzen bei sich und ihren Mitarbeitern den Panzer der Gewohnheiten knacken.

Die für neue Anforderungen notwendigen perspektivreichen, querdenkenden und experimentierfreundlichen Mentalitäten der Mitarbeiter entstehen, wenn Menschen Selbstverantwortung und weite Handlungsspielräume übernehmen, weil sie damit ihrer Ergebnisverpflichtung wirkungsvoller nachkommen können. Wenn in diesem Anforderungswandel Vorgesetzte ihren Mitarbeitern Kompetenz zutrauen und ihren Vorgehensweisen vertrauen, lösen sie bei ihnen auch ein Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten aus, was wiederum unmittelbar deren Performance steigert. Ein Verhaltensartefakt, das in der Sozialpsychologie seit langem als Confirmation Bias bestens belegt und erforscht ist: Menschen neigen dazu, ihre Erwartung bestätigt zu sehen, weil sie ungern ihre Meinung revidieren. Entsprechend tun sie unbewusst alles, um die eigene Erwartung zu erfüllen. Ein Mitarbeiter, der sich etwas zutraut, schafft das dann auch mit großer Wahrscheinlichkeit. Die Macht innerer Bilder kennt man ja bereits aus der Welt der Profisportler.

Die prophetische Macht der Überzeugung erfordert eine spezielle Art der Menschenführung, da es hauptsächlich darauf ankommt, das Kompetenzgefühl der Mitarbeiter wachsen zu lassen und ihre Handlungsbereitschaft zu stärken – selbst in kniffligen Situationen.

Neue Geschäftsmodelle, ja sogar jede Veränderung von Gewohntem sind daher abhängig davon, dass die Führungskräfte ihren Mitarbeitern im Umbruch helfen

  • Zuversicht zu entwickeln,
  • Unsicherheiten zu verringern,
  • Zusammenhänge zu erkennen und
  • sanktionsfrei experimentieren zu können.

Aus evolutionspsychologischen Gründen wählen Menschen wie erwähnt immer eher das Vertraute bzw. das geringere Übel, denn damit reduzieren sie die Wahrscheinlichkeit, „Schiffbruch zu erleiden“. Diese Angst nehmen ihnen Führungskräfte, indem sie psychologisch kompetent

  • gemeinsam Lösungsperspektiven bzw. –räume entwickeln helfen,
  • zukunftgerichtete Qualifikation ermöglichen und
  • im Sinne einer kalkulierten Verlustaversion die drohenden Verschlechterungen bei Unterlassung konkretisieren.

Bei einem solchen Führungsverhalten können Mitarbeiter in Umbruchsituationen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Gefühl von Kompetenz entwickeln und die Überzeugung gewinnen, den gegebenenfalls drohenden Gefahren eines neuen Weges Paroli bieten zu können.

Bevor das jedoch eintritt, müssen Führungskräfte selbst  innere Transparenz Ihrer Denkwelt, Menschenbilder, Einstellungen und Ressourcen herstellen. Ansonsten laufen Sie Gefahr, mit viel methodischem Getöse den Transfer in ein neues Bewusstsein über die Zukunft zu betreiben, aber nur halbherzig an die faktische Macht der Notwendigkeit zu glauben. Ergebnis: Scheitern als Folge ihrer impliziten Skepsis.

Führung bedarf  einer eingehenden Revision: im Denken, Fühlen und Können.

Kommentare

Psychologie kann helfen. Nur verstehen das viele Verantwortliche nicht, weil sie in Ihrer Ausbildung darin nicht unterrichtet worden sind. M.E. benötigt die Überwindung von eingeübten Instrumenten ganz besonders Mut und Willenskraft. Nur damit können dicke Bretter der Gewohnheit gebohrt werden. Es wird Zeit, die Führungstrainings daran zu messen, welchen Beitrag sie zur Bewusstseinsänderung der Führungskräfte liefern. Danke für die Anregungen!

Never change a winning team: das ist das Problem!

Eine Vielzahl der Managementinstrumente entstand aus dem Zweck, Menschen zu kontrollieren und zu disziplinieren. Ergebnis: Gehorsam, Angst und innere Kündigung. Gerade in Umbrüchen sind Menschen darauf angewiesen, aufeinander zählen und vertrauen zu können. Schon deswegen sind die alten Führungsinstrumente untauglich und sollten ersetzt werden. Etwa so wie beschrieben.

Wenn Veränderungen mit den Menschen erreicht werden sollen, die wenig Übung darin haben, weil sie jahrelang komfortabel sich in ihren Silos eingerichtet haben, hilft nur ein radikaler Schnitt: Austausch der Altlasten

Viele Führungskräfte sind getrieben, Karriere zu machen und handeln eher eigennützig als mitarbeiterorientiert.. Die ganze Bandbreite von Manipulation bis zu zuckersüßen Versprechungen wird eingesetzt, um voranzukommen. Dieser Druck erzeugt aber nur subtilen Gegendruck. Umbrüche sind so nicht zu schaffen.

Es gilt die alte Erkenntnis: Selbstführung ist die Basis von Leadership. Wer sich nicht selbst versteht, der wird auch seinen Mitarbeiter nicht verstehen. Das ist auch mehr als da mal ein Achtsamkeitstraining, dort mal etwas Neurolleadership und zur Krönung den Mindfulmasterkurs. Spätestens wenn die Einstellungen und Werte des Vorgestzten nicht zu den Anforderungen an die Selbstführung nicht passen, merkt man, dass mit Trainings die Grenzen der Führungskräfteentwicklung erreicht sind. Alles bleibt wie immer! Werbeinen echten Wechsel will, muss einen Teil seiner "Elite" auswechseln.

"Hasenherzige" Innovationen kommen von hasenherzigen Führungskräften. Man kann auch sagen, dass zu viele Opportunisten zu wenigen Musterbrechern gegenüberstehen und die Firma in einen Dornröschenschlaf schicken.

Neue Geschäftsmodelle kommen ohne Führung aus, da Mitarbeiterballeine und in Gruppen für das Ergebnis ihrer Aufgaben stehen. Nach der Einführung von (Teil-)autonomen Arbeitsgruppen haben sich die Kaderpositionen um 4/5 reduziert und dafür hat es nur 9 Monate benötigt.

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